Lebendiges Kommunikationsdesign – 1000 Gesichter für ein buntes Europa

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Entwicklung eines umfassendes Designkonzepts für das internationale, dynamische Fotokunstprojekt FACES OF EUROPE von Carsten Sander.
 
 
Der Anfang – HEIMAT. Deutschland – Deine Gesichter
 
Als ich Carsten Sander im Frühjahr 2012 kennenlernte, ahnte ich noch nicht, auf welch spannende Reise ich mich da tatsächlich begeben würde. Eine Weile zuvor wurde die Idee zu seinem Fotokunstprojekt „HEIMAT. Deutschland – Deine Gesichter“ geboren. Zu einer Zeit, wo der Begriff Heimat bei vielen von uns Deutschen noch ein befremdliches, seltsames Unbehagen auslöste, zog Carsten los und wollte ihn begreifen, diesen sagenumwobenen und dennoch undefinierten Ort. Er bereiste die Republik und porträtierte dabei hunderte Gesichter mit seiner Kamera. Einfache Menschen, Wohnungslose, Jung und Alt, aber auch Prominente und Politiker, wie Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier, Fußballweltmeister Sebastian Schweinsteiger oder Schauspielerin Iris Berben, alle gleichberechtigt nebeneinander. So zeigte Carsten Sander ein modernes und buntes Land, das aus seiner Vielfalt heraus Stärke und Gemeinschaft wachsen lässt und in dem jeder einzelne Mensch ein eigenes Universum ist. Gemeinsam und ganz persönlich gewährt uns das einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft. Und ich durfte diesem tollen Projekt damals das Markengesicht geben. In diesem Zuge entwickelte ich neben dem Corporate Design, die gesamte Ausstellungskommunikation, vom Logo über die Webseite bis hin zum Fotobildband, der 2019 den Deutschen Fotobuchpreis in Bronze gewann. Das war ein ganz wunderbares, bedeutsames Projekt.
 
 
 

 
 
Das Fotokunstprojekt – FACES OF EUROPE
 
Doch damit sollte es nicht genug sein, denn Carsten wollte weiter forschen und setzte alles daran seine Vision grenzenlos werden zu lassen. So dauerte es nicht lange, vom Definitionsversuch seiner eigenen, deutschen HEIMAT, den Drang zu entwickeln, sich mit Europa und seinen Bewohnern auseinanderzusetzen, um im nächsten Schritt, die europäische Gesellschaft zu skizzieren. Eine verrückte Reise quer durch Europa wurde erst ersponnen, dann realer und schließlich wirklich geplant. Doch wie sich herausstellte, sollte dies kein einfaches Unterfangen werden.
 
Carsten Sander schaffte es, das Auswärtige Amt für seine Idee zu begeistern. FACES OF EUROPE sollte im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands in zweiten Halbjahr 2020, als das repräsentative Kunstwerk unseres Landes den europäischen Mitbürgern präsentieren werden. Als weitere Referenz der EU wurden Lichtprojektionen des isländischen Künstlers Olafur Eliasson ausgewählt. Zum Start der Fototour von FACES OF EUROPE wurde ein Van zu einem Fotostudio umgebaut. Da auf einmal alles ganz schnell gehen musste, erhielt das mobile Fotostudio eine Bedruckung mit ersten Elementen des späteren Corporate Designs, wie der Europakarte aus einigen ersten Porträts. Im Februar 2020 sollte die große Reise dann beginnen. Doch plötzlich kam eine Nachricht, die nicht nur das Projekt beinahe vereitelte, sondern die ganze Welt erschüttern sollte. Covid-19 übernahm unseren Planeten und erstmal folgte eine große Unsicherheit und Erschütterung. Allen Umständen zum Trotz und unter großen Sicherheitsvorkehrungen machte sich Carsten mit einigen Wochen Verspätung aber dennoch auf den Weg, immer an seiner Seite, der Filmer Adrian Bocîrnea. Gemeinsam legten sie mehr als 26.000 km zurück, über weite Landstriche, Berge und das Wasser, durch eindrucksvolle Städte und abgelegene Dörfer. Und sie haben es tatsächlich geschafft das Projekt zu realisieren. In einer Zeit, in der alles so einsam und trostlos erschien, brachte FACES OF EUROPE schon im Entstehungsprozess Menschen auf wunderbare Weise zusammen. Genau das sollte das Design widerspiegeln. Es sollte verbinden und kommunizieren, über Grenzen hinaus und in allen Facetten menschlichen Lebens der Europäischen Union.
 
 
 
 
Das Corporate Design
 
Das Logo, das wie ein Straßenblock anmutet, die Wahl der Farbwelt, sowie einige Grundlagen des Corporate Designs waren inzwischen fertig gestellt. Jetzt durfte ich das Ganze weiter wachsen lassen. Wo HEIMAT ein recht homogenes Gestaltungskonzept zugrunde lag, indem ausschließlich mit den Farben Rot, Weiß und Schwarz gearbeitete wurde, ist der Look von FACES OF EUROPE, neben der Vielfalt Europas, mit seinen unzähligen verschiedenen Landschaften und seiner Bewohner, von den Flaggen der Länder inspiriert. Meine Vision war es hier, etwas zwischen Staatsakt, Reiseführer und Pop Art zu schaffen. 
 
Da die Motive der Pop Art häufig der Alltagskultur entnommene, fotorealistische Darstellungen zeigen, die auch oftmals in überdimensionalen Abbildungen erfolgen, lag diese Tonalität für mich nah. Der Popkünstler fordert die absolute Realität, genauso wie es Carsten Sanders Porträts tun. Auf den ersten Blick vielleicht trivial erscheinend, ist jedes Gesicht ein Mensch mit einer Geschichte und alle Geschichten aller Europäer sind dann vielleicht die Essenz Europas. So kam ich darauf, mit großen, kräftigen Farbflächen zu arbeiten und mich an der gesamten Grundfarbpalette zu bedienen. Der plakative Charakter kommuniziert klar und bringt durch die Farbwechsel eine Dynamik hervor, als würde der Betrachter auf die Reise mitgenommen und von Schildern am Wegesrand angesprochen. Straßenschildern, die die Aussagen der Menschen tragen, die Carsten Sander hier kennengelernt und fotografiert hat. Darüber wollte ich eine Verbindung vom Kunstwerk zum Betrachter schaffen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Der Ausstellungskatalog
 
Neben verschiedensten Kommunikationsmaterialien wie Einladungen, Infoschildern für Ausstellungen, Plakaten oder Postkarten, Aufstellern und Bannern, entstand der erste Ausstellungskatalog zum Start der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Juli 2020. In deren Rahmen bauten wir eine erste große Ausstellung in der Deutschen Botschaft sowie im EU-Parlament in Brüssel auf. Auch Vanessa Sánchez Fernández, die zuständige Projektleiterin des Auswärtigen Amts und Kuratorin Prof. Dr. Karin S. Weber halfen vor Ort tatkräftig mit, denn es gab viel zu tun und der Katalog sollte dort den Staatsoberhäuptern der Länder als Gastgeschenk überreicht werden. 
 
Aufgrund der globalen Krise überschlugen sich die Ereignisse. Termine mussten verschoben, Quarantänephasen zur Einreise in die verschiedenen Länder eingeplant werden. Da Carsten und ich inzwischen seit vielen Jahren vertrauensvoll und mit viel Respekt vor unseren Leistungen zusammenarbeiten, bekam ich als Designerin weitestgehend freie Hand, bei der Gestaltung und Realisierung des Katalogs, dessen Druck Canon Deutschland übernahm. 
 
Die Basis des Corporate Designs sind kräftige Blautöne. Ergänzt durch goldene Elemente, entsteht ein offizieller Charakter, angelehnt an die Farben der EU, blau und gelb. Um nun in der Erweiterung des Designs, die geografische Darstellung der EU-Karte meiner Vorstellung nach umzusetzen, wurde eine weitere Farbe benötigt, da sich die einzelnen Länder der Karte nicht durch Grenzen, sondern durch Farben voneinander abheben sollten. Ich kombinierte ein Violett, das sowohl Spannung bringt, als auch den symbolischen Aspekt der Unabhängigkeit unterstreichen soll, sodass die erstmal nüchterne Farbwelt lebendig wird. Die Nachbarländer bzw. Nicht-EU-Staaten gesellen sich in Grüntönen hinzu. Ein knalliges Rot wird als Störerfarbe ergänzend eingesetzt. Das leuchtende, fein aufeinander abgestimmte Farbspiel lässt die Gesichter lebendig werden und mit dem Betrachter interagieren, ohne laut zu werden. Zudem wurden Gesichter auf verschiedenste Weise miteinander verbunden, um darzustellen, wie stark unsere Leben und Geschichten miteinander verwoben, wie ähnlich unser Bedürfnisse und Ängste sind, trotz aller Unterschiede. Die Porträts wurden dazu ineinander kopiert, halbiert oder geviertelt und mit anderen Gesichtern gemischt. Weitere Schmuck- oder Informationsseiten wurden mit bunten, flächigen Illustrationen arrangiert. So entstand ein respektvolles, wie verspieltes Design und Miteinander, das zu einer Reise quer durch Europa und zu vielen Austauschen mit neuen Bekanntschaften einladen soll. 
 
Im Herbst 2020 wurde dann eine meiner Illustrationen zusammen mit namenhaften Künstlern wie Thierry Noir, Tina Zimmermann oder dem Künstlerkollektiv RE:SORB im Rahmen des „Festival Of Lights“ in Berlin gezeigt, eines der größten Lichtkunstfestivals weltweit. In Kombination mit wechselnden Porträts, den FACES OF EUROPE, war die auffällige Grafik als 8 m x 12 m große Projektion an der Fassade das Auswärtigen Amtes zu sehen. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Der Bildband
 
Der exklusive, interaktive Bildband des Gesamtprojektes mit allen 1000 porträtierten Europäern, gedruckt auf hochwertigen Kunstdruckpapier, umfasst 440 Seiten und ist ganze 6 Kilo schwer. Der Schuber trägt eine Goldveredelung, das Hardcover des Buchs ist aus feinstem Leinen. Der Look ist reduzierter und klassischer, enthält aber weiterhin den plakativen Charakter. Hier wurde jedoch auf das Grün als eine der tragenden Farben verzichtet. Die übrigen Farben bilden ein Farbkonzept, das im Zusammenspiel mit der EU-Karte, durch die Kapitel bzw. Länder navigiert. QR-Codes am Ende jeder Länderstrecke führen zu weiteren Informationen über die Ländern und dem Projekt, auf die dazugehörige Webseite. Mithilfe der GetBaff-App können Interviews und Videos der Reise abgerufen werden, während durch den Bildband geblättert wird, sodass der Betachter auf die spannende Reise mitgenommen wird. Durch die tatkräftige Unterstützung von Social Media Managerin Julia Bofinger kann zusätzlich in Sozialen Netzwerken verfolgt werden, was es Neues gibt, wo sich Carsten Sander und seine „Faces“ gerade befinden, oder was sie zu erzählen haben. 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
Momentausnahmen für die Ewigkeit


Die 1000 Gesichter Europas präsentieren sich als starke und bunte Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit, sowie jeden Porträtierten für sich, ganz unaufgesetzt, unmittelbar und persönlich. Mit FACES OF EUROPE gelingt es Carsten Sander erneut auf eindrucksvolle Weise, Menschen aller Ethnien und Schichten auf einen gemeinsamem Nenner zu bringen. So zeichnet er ein eindrucksvolles Bild für Toleranz sowie ein gemeinschaftliches, friedliches Miteinander und schafft dabei Momentaufnahmen für die Ewigkeit. Ich bin stolz, einen Beitrag zu diesem bewegenden Projekt geleistet zu haben und so den europäischen Gedanken unterstützen zu können.

Aktuell wird FACES OF EUROPE weltweit gezeigt, ob als klassische Fotoausstellung, oder als mulitmediales Ereignis mit großen Videoprojektionen und den „Talking Heads“. Im Öffentlichen Raum platzierte Monitore auf Stelen, die leicht beweglich die Geschichten zu den Gesichtern erzählen, fast als wären diese Menschen selbst da. Die Bilder kommen dem Besucher auf diese Weise eindringlich nah und bringen ihm die Vielfalt Europas ein Stück näher. Ich bin schon gespannt, wohin Carsten Sander wohl seine nächste Reise führen wird.

 
 
 

 
 
Bisherige Ausstellungsorte:
 
– Berlin, Germany
– Bratislava, Slowakei
– Brüssel, Belgien
– Bukarest, Rumänien
– Greifswald, Germany
– Guangzhou, China
– Helsinki, Finnland
– Jakarta, Indonesien
– Málaga, Spanien
– München, Germany
– Rom, Italien
– Straßburg, Frankreich
– Teheran, Iran
– Valletta, Malta
– Zagreb, Kroatien
 
 
 
 
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